Sonntag, 6. Juli 2008

Von Stäbchen und unfreundlichen Chinesen...

Meine Lieben im fernen Deutschland,

bei allen Reisen und allen Aufenthalten, die ich bisher im Ausland verbracht habe, hätte ich lernen müssen, dass man einfach nie alle Menschen einer Nationalität über einen Kam scheren kann. Dennoch hat man bestimmte Erwartungen und vor allen Dingen Vorurteile und nach einer Woche Shanghai werde ich versuchen euch durch meine Erlebnisse zu erklären, wie ich bisher das Leben und die Menschen hier sehe.

Meine Woche verlief sehr gut, so langsam habe ich realisiert, dass ich tatsächlich die nächsten Monate in dieser Stadt verbringen werde, wenn ich doch auch immernoch Momente habe, in denen es sehr unwirklich scheint. Doch da ich seit dem ersten Tag hier so viel erlebt und keinen Abend zuhause verbracht habe, scheint es als sei ich schon mindestens drei Wochen hier...

An die öffentlichen Verkehrsmittel habe ich mich so langsam gewöhnt. Dennoch sind hier viele lustige Dinge zu berichten. Als Beispiel will ich die Metro nehmen, die ich am Mittwoch das erste Mal zur rush hour erlebt habe. Niemals habe ich bisher, weder in Berlin noch in Madrid oder New York eine so chaotische und volle Metrostation gesehen. Endlich am Gleis angekommen ist es jedoch nicht besser geworden. Die Chinesen haben eine ungemeine Angst davor, die Bahn könne ohne sie los fahren, jedenfalls kann ich mir anders die Panik beim Einsteigen nicht erklären. An den Gleisen sind vor den Türen der Bahn extra Pfeile aufgezeichnet, wo sich die einzelnen Personen in zwei Reihen hintereinander aufstellen sollen. Ich muss sagen, das zumindest können sie echt gut. So stehen da also dann schätzungsweise je 30 Chinesen in einer Reihe und warten, dass die Bahn endlich eintrifft. Wenn es soweit ist so meine ich schon erkennen zu können, wie der ein oder andere nervös wird. Die Türe öffnet sich und eigentlich sollen die Menschen, die sich in der Bahn befinden, dann zwischen den beiden Schlangen aussteigen, doch das erweist sich als quasi unmöglich, da die, sich bis dahin in zwei Reihen befindenden anderen Chinesen bereits wild drauf losrennen. So wollen also 60 Chinesen rein und eben so viele raus und das gleichzeitig. Ein ungemeines Chaos und noch unangenehmer finde ich das Ganze, wenn ich aus der Bahn raus möchte...

An diesem Mittwoch haben wir uns, wie ich das letzte Mal geschrieben hatte, das Fußballspiel angesehen, welches sich als sehr lustig erwies. Manchmal hatte ich das Gefühl, auch ich könne mich auf's Feld stellen, viel schlechter würde ich wohl auch nicht kicken, wobei ich den chinesischen Spielern hier wohl unrecht tue, denn so schlecht haben sie gar nicht gespielt. Das signifikante für dieses Fußballspiel war jedoch nicht die Technik der Spieler, sondern vielmehr die Tatsache, dass ca. alle zehn Minuten (!) einer der Spieler "schwer verletzt" auf dem Rasen lag und sogleich die Helfer mit der Trage vom Spielfeldrand zur Hilfe eilten. So waren Unterbrechungen von ca. vier Minuten alle zehn Minuten keine Ausnahme und aus den eigentlich nötigen 16 Minuten Nachspielzeit wurden dennoch nur vier. Alles in allem haben wir uns einfach sehr amüsiert und auch wenn wir mit dem 1:1 der Shanghaier ersten Mannschaft gegen den Tabellenletzten nicht zufrieden waren, hatten wir viel Spaß.

Donnerstag abend waren wir dann Sushi essen. Es war sehr lecker, wenn ich doch auch sagen muss, dass es nicht besser war, als dass was ich in manch sehr gutem Sushirestaurant in Deutschland schon gegessen hatte, aber vielleicht haben wir nur einfach noch nicht das richtige Restaurant ausfindig gemacht.
Sushi führt mich zum Thema Essen mit Stäbchen. Welches sich, wie von mir erwartet, als schwierig erweist... Besonders Dinge wie Nudeln, die gerne mal von den Stäbchen rutschen, lassen mich manches Mal verzweifeln. Alles in allem klappt es aber schon recht gut und ich hoffe in drei Monaten dann ein echter Profi zu sein.
In den Mittagspausen vermeide ich mit den Chinesen zu essen, denn deren Schmatzen verdirbt mir tatsächlich den Appetit. So esse ich meist mit den anderen Praktikanten aus Deutschland, die bei Continental arbeiten und vermeide so Ekelanfälle während des Essens.

Eine andere Eigenschaft, die mir negativ auffällt ist das... Rotzen! Ja, ich weiß nicht wie ich es anders ausdrücken soll, aber es ist kein Gerücht, die Chinesen rotzen sehr sehr gerne. Egal ob alt, jung, reich, arm es wird gerotzt! Und es hört sich einfach widerlich an! Ich denke, Schmatzen, Rülpsen, Rotzen sind Eigenschaften an die ich mich nicht gewöhnen werde und irgendwie auch nicht gewöhnen will, denn nicht ohne Grund nennt man solche Dinge bei uns einfach schlechte Manieren...

Die Chinesen seien, außer den scheinbar nicht vorhandenen Manieren, sehr unfreundlich habe ich vor meiner Abreise oft gehört und nach einer Woche kann ich nicht viel mehr, als sagen: nicht alle! ;-)
Auf der Arbeit beispielsweise sind alle sehr nett und hilfsbereit. Wohingegen man auf der Straße oft den Eindruck hat, sie seien tatsächlich eher ein grimmiges Volk. Was mir wirklich auffällt ist dass die Chinesen seltener lächeln und lachen als "wir" doch auch das kann man eben nicht pauschal sagen, hatten wir doch schon viele lustige Erlebnisse mit Chinesen die mit uns und aber auch über uns lachten!
Auch wenn ich auf der Straße verzweifelt den Weg nicht finde und einen englischsprechenden Chinesen suche (was sich meist als sehr schwer erweist), aber wenn ich erstmal einen gefunden habe, dann ist dieser meist sehr nett und hilfsbereit. Ich denke, es wird unmöglich sein, sich ein Urteil erlauben zu können, denn es sind eben nirgendwo auf der Welt alle gleich...

Ein sehr positives Erlebnis habe ich vom Freitag zu berichten. Nachdem ich aufgrund der verschäften neuen VISA-Vorschriften für China nur ein Visum für dreißig Tage erhalten hatte und es noch einem anderen Praktikanten von Conti so ging, hatten wir uns entschlossen gemeinsam mit einer chinesischen Praktikantin, die dolmetschen sollte, auf das Visa-Amt zu fahren um unser Visum zu verlängern. Nach 4 1/2 Stunden warten zunächst die Ernüchterung, wir müssten zuerst eine Arbeitsgenehmigung beantragen um unser Visum verlängern zu dürfen.
Nachdem ich dem chinesischen Beamten (er verstand gut englisch) dann in einer langen Rede begreiflich gemacht hatte, dass wir aus Deutschland bezahlt werden, hier nur ein "Praktikum" absoliveren und in drei Monaten wieder verschwinden, sollten wir unser Visum doch bekommen und noch einen großen Bonus dazu: eine Einreise ins Land. Das bedeutet, dass ich nun, anders als erwartet, in den drei Monaten hier einmal das Land verlassen und dann wieder einreisen darf. Dieses Double-Entry-Visa wird momentan eigentlich nicht vergeben, aber nach meinem langen Gerede fragte mich der Beamte ob ich eines wolle, woraufhin ich natürlich vollkommen überrascht und strahlend mit: "Yes, please!" antwortete.
Einer Reise nach Hongkong, Thailand, auf die Philippinen oder wo auch immer hin steht nun nichts mehr im Wege und ich freue mich jetzt schon sehr am Ende der drei Wochen noch mal reisen zu können.

Am Freitag sollte ich außerdem wieder einmal erkennen, dass das Leben in Shanghai viele Vorteile bietet, wenn man genug Kleingeld im Geldbeutel hat. Einen Luxus, den ich sicher in Deutschland wieder vermissen werde: die Massage. Nicht, dass wir keine guten Masseure hätten, aber ich jedenfalls kann es mir nicht wirklich leisten mich einfach mal massieren zu lassen, schon gar nicht eine Ganzkörpermassage, wie wir sie uns gegönnt haben, ist bei uns wohl einfach mal so bezahlbar. Da die lokalen chinesischen Masseure wohl eher zu härteren Methoden greifen und auch blaue Flecke bei ihnen nicht ausbleiben, hatten wir uns entschlossen etwas "mehr" zu investieren und ließen uns so bei Dragonfly (einer asiatischen Kette) für 22,50 € eine Stunde lang von oben bis unten massieren. In sehr schönem Ambiente habe ich mich so gut von der anstrengenden Woche erholen können.
Nach der Massage und einem sehr leckeren Abendessen, hatten wir uns entschlossen noch das Partyleben zu erkunden und so fuhren meine "Praktikantenkollegen" und ich in die Bar Rouge, einen Club der gehobenen Klasse, der sehr schön eingerichtet war. Neben dem doch eher westlichen Publikum waren auch einige Chinesen da und außer dem sehr guten DJ konnten wir auf der Terasse auch noch die wunderschöne Aussicht genießen.



Samstag früh war ich zu einem "Mädelsbrunch" bei Sarah eingeladen, die ebenfalls ein Praktikum hier macht und schon nach einer Woche ohne Brot und Brötchen freute ich mich sehr über die, beim einzigen deutschen Bäcker in Shanghai bestellten, Körnerbrötchen.
Abends waren wir dann in einer großen Gruppe Hot Pot essen. Eine Art Fondue, bei dem auf dem Tisch Töpfe mit heißem Fett stehen, in die man verschiedene Zutaten reinschmeißt und dann isst. Ich muss sagen, dass ich schon besser gegessen habe, denn die Zutaten waren bis auf Nudeln und Kartoffeln nicht so sehr mein Fall (wahlweise konnte man beispielsweise auch frisches Schweinehirn bestellen und im Pot brutzeln lassen...)!
Danach ging es dann in eine Karaoke-Bar und jeder, der mich kennt und vor allem weiß, wie wunderbar ich mit meiner lieblichen Stimme Lieder träller', der kann sich vorstellen, wie sehr ich mich darüber gefreut habe ;-)
Es war dennoch ein sehr lustiger Abend und nach dem ein oder anderen Bier habe auch ich mich ans Mikro gewagt, ein Glück für mich, dass die Stimmen der anderen auch nicht besser sind, als meine!

Sonntage sind hier scheinbar zum brunchen und shoppen da und so habe ich den heutigen Tag ähnlich wie den letzten Sonntag verbracht. Zunächst bei einem super leckeren Brunch und dann beim Schneider. Meine Blusen von letzter Woche müssen noch mal geändert werden und nächsten Sonntag werde ich dann meine Hosenanzüge für die Arbeit in Auftrag geben. Die Chance auf maßgeschneiderte Anzüge muss ich einfach nutzen und gegen Blazer, Rock und Hose aus echter Seide für insgesamt 45 € kann wohl niemand etwas sagen!

Nachdem ich mir nach dieser tollen, aber auch anstrengenden Woche endlich die Zeit nehmen konnte euch zu schreiben, hoffe ich, dass ich euch mal wieder einen Eindruck von meinem Leben und den Erlebnissen hier vermitteln konnte. Ich freue mich immernoch sehr über alle Emails und werde fleißig versuchen auch zu antworten! Für die kommende Woche haben wir uns schon sehr viel vorgenommen, aber ich werde euch aufjedenfall berichten aus dieser rastlosen, lauten, unglaublich interessanten Stadt!

Gute Nacht und wěnbié,
die erschöpfte *Deniz*

und hier gelangt ihr zu den Fotos...!

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Xie xie, bye bye!
Liebe Familie, liebe Freundinnen und Freunde, Wahnsinn....
DenizGuengoer - 1. Mai, 14:59
Eine Nachricht für unser...
Liebe Leserinnen und Leser, es ist mal wieder so...
DenizGuengoer - 25. Aug, 11:07
Frühling in SH City ❤
Liebe Freundinnen und Freunde, Liebe Lesegemeinschaft, einige. ..
DenizGuengoer - 3. Apr, 09:17
2017 - das Jahr des Feuer-Hahns!
Liebste Freundinnen und Freunde, über 3 Monate sind...
DenizGuengoer - 4. Jan, 14:47
"Milk...? Milk...? Milk...?...
Liebe Blogleserinnen und Blogleser, einige Wochen...
DenizGuengoer - 16. Sep, 10:02

Links

Suche

 

Status

Online seit 5806 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 1. Mai, 15:37

Credits


Profil
Abmelden
Weblog abonnieren